„Blaues LÄNDCHEN“

Warum unsere Region „Blaues Ländchen“ heißt

Warum unsere Region „Blaues Ländchen“ heißt.

Das Blaue Ländchen ist geographisch gesehen die Region der heutigen Verbandsgemeinde Nastätten um die Stadt Nastätten herum.

Das „Blaue Ländchen“ scheint seinen Namen der blauen Kleidung zu verdanken, die die Bewohner früher trugen. Die Bauern unserer Region bauten Flachs an und verarbeiteten diesen für den regionalen Eigenbedarf weiter.

Ein Exportartikel waren die feineren Tuche aus Schafwolle. In alten Dokumenten und Büchern ist die Rede von Käufen von Nastätter Tuche aus Schafwolle in den Jahren 1461-62.

In anderen Büchern ist sogar von einer bis 1250 zurückzuverfolgenden Tuchindustrie, die im 16. Jahrhundert noch einen Aufschwung erlebte, als protestantische Weber und Färber aus dem Lorcher Raum als „Wiedertäufer” aus religiösen Gründen ihre Heimat verlassen mussten und im „Blauen Ländchen” gute Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfanden. Schafzucht, Wolltuchproduktion und Färberei waren wohl die wichtigen Erwerbszweige in Nastättens. Die fertigen Tuche seien sowohl auf der Frankfurter Messe als auch auf ausländischen Märkten abgesetzt worden.

Die meist bäuerliche Bevölkerung des „Blauen Ländchens“ baute bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts Flachs zur Leinenherstellung.

Der Leinsamen wurde im Frühjahr gesät und während des Wachsens mehrmaligen gejätet. Zur Blütezeit des Flachses erstrahlte das „Blauen Ländchens“ in hellem Blau. Geerntet wurde zwischen der Heu- und Getreideernte Die reifen Pflanzen wurden samt Wurzeln ausgerupft und in Bündeln zum Trocknen im Feld aufgestellt.

Nach dem Einbringen in die Scheune erfolgte das sogenannte „Reffen“, bei dem man die Bündel durch einen eisernen Kamm (Flachsreff) zog. Die dabei herabfallenden Samenkapseln wurden zur Leinsamengewinnung ausgedroschen. Um die Faserschicht des Flachsstengels freizulegen, die mit dem holzigen Kern im Innern und der sie umhüllenden dünnen Rinde durch eine harzartige Substanz fest verklebt ist, bedarf es einer chemischen und einer mechanischen Behandlung. “Rösten” nannte man die chemische Prozedur. Der Flachs wurde einige Tage lang in stehendem Wasser eingeweicht oder auf einer Wiese dem Tau ausgesetzt, wobei die einsetzende Gärung den leimigen Klebstoff in der Pflanze zerstörte.

In der meist etwas außerhalb der Wohnbebauung gelegenen „Brechkaute“ folgte das „Dörren“ über Feuer. Anschließend ließen sich die gedörrten Stängel mit Hilfe der „Flachsbreche“ mit dem Dreschflegel leichter „brechen”, hierbei trennten sich die Holzteile von der Faser. Das „Schwingen” diente dem Ablösen der letzten Holzreste: Der Flachs wurde über den Schwingstock gelegt und durch Vorbeistreichen mit der Schwinge entwirrt und geglättet.

Diesem Arbeitsgang folgte das „Hecheln”, ein Auskämmen des Flachses auf dünnen Eisenspitzen. Die Hechel trennte das grobfaserige Werg vom feineren, leichter spinnbaren Material, das anschließend gebürstet und bündelweise weggehängt wurde. Vor allem an den langen Winterabenden spannen die Frauen das Werg. Das mit dem Fuß angetriebene Spinnrad bewirkte eine Drillbewegung, die aus den losen gebündelten Fasern einen Faden drehte, der sich auf eine Spule wickelte.

Mit Hilfe des Webstuhls entstand schließlich aus den einzelnen Fäden der Stoff.

War das Spinnen und Weben abgeschlossen brachte man den Leinenballen zum Färber, der meist einem Bachlauf wohnte.

Bereits im Mittelalter kannte man ein Verfahren, das dem heimischen „Färberwaid” eine blaue Farbe herzustellen.

Zitat eines alten Rezeptes:

„Nimm frische Waidblätter und zerstampfe und zerreibe sie gut. Gib den Brei in einen Topf in die Sonne. Lasse ihn mehrere Tage liegen und befeuchte ihn jeden Tag mit geklärtem Urin, bis er vollkommen verfault und große Maden entwickelt. Zerdrücke die Maden und lasse den Saft durch ein dünnleinenes Tuch in eine Schüssel sickern. Lasse ihn ruhig liegen, bis er dick zu werden beginnt. Forme ihn dann zu einem flachen Kuchen und lege ihn an die Luft zum Trocknen.“

Anschließend musste der nicht wasserlösliche Waidfarbstoff in einem Reduktionsprozess in eine gelbe Lösung überführt werden, in die man die zu färbenden Wollstränge oder Leinenstücke legte. Hatte der Stoff genügend Farbe aufgenommen, so wurde er vorsichtig aus der Lösung geholt. Die Wollstränge oder Leinenstücke waren zunächst gelb, wurde bald aber durch Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft grün und schließlich blau. Es wird berichtet, dass der Reduktionsprozess, das Färben und die Oxydation je einen Tag in Anspruch nahmen.


Quelle: Nastätten Geschichte und Gegenwart sowie Stadtarchiv Nastätten